Gute Romanfiguren sind wie gute Freunde, die man nie wieder vergisst. Aber wie gelingt es Dir als Autor:in, eine fiktive Figur zu erschaffen, die für Deine Leser:innen lebendiger wird als reale Freunde?

Natürlich kann man diese Frage nicht ein für alle Mal beantworten. Jede Story ist einzigartig, genau wie ihre Figuren und Du. Meine Tipps können Dir helfen, aber die eigentliche kreative Arbeit bleibt in Deiner Hand.

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In diesem Blogartikel verrate ich Dir die sieben Grundlagen der Charakterentwicklung. Natürlich reichen diese Basics noch nicht aus, um einen psychologisch abgründig tiefen Roman zu entwickeln, bei dem nacheinander alle Schichten der Psyche enthüllt werden, bis es Deiner Figur am Ende gelingt, über sich selbst hinauszuwachsen und die Welt mit dem lange versteckten Feuer in ihrer Seele in Brand zu setzen.

Trotzdem stellen diese sieben Punkte eine gute Grundlage dar. Du kannst sie benutzen, um Dir einen ersten strukturierten Blick auf Deine Figur zu verschaffen, oder um Deine Nebenfiguren systematisch zu erforschen.

Achtung: Wenn Du beim Schreiben eher der intuitive Typ bist, kann es passieren, dass eine zu strukturierte und vorausplanende Arbeitsweise dazu führt, dass es sich für Dich anfühlt, als würde Deine Kreativität eingeschränkt. Umgekehrt erlebst Du als strukturiert arbeitende:r Schriftsteller:in vielleicht fälschlich die Illusion von Sicherheit, die entsteht, wenn man „alles“ bedacht hat. Meine sieben Punkte sind lediglich eine Grundlage für die Weiterarbeit, genau wie die in den kommenden Wochen erscheinenden Artikel zu weiteren Facetten des Schreibhandwerks.

Im Zweifelsfall solltest Du immer auf Deinen Bauch und Deine Kreativität vertrauen.

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1. Name

Anfänger:innen zögern oft, sich auf den Namen ihrer Figur festzulegen. Solange es nur „eine Frau“ oder „ein Mann“ ist, scheinen alle Möglichkeiten offen. Aber eine Figur ohne Namen besitzt nicht genug Vitalität, um eine Story mit ihrer Persönlichkeit zu füllen. Also gib der Figur einen Namen und lege Dich fest!

Die Faustregel für einen gelungenen Figurnamen lautet: Ein gewöhnlicher Vorname und ein ungewöhnlicher Nachname (z. B. „Anna Konstantinides“) oder ein ungewöhnlicher Vorname und ein gewöhnlicher Nachname (z. B. „Jasmin-Cherrycoke Müller“) funktionieren.

2. Alter, Wohnort

„Ein junger Mann“ ohne Alter ist ähnlich unspezifisch wie eine Figur ohne Namen und wird ähnlich schnell vergessen. Also lege Dich auch bei Alter und Wohnort fest. „Jannis Baumgärtner (28) aus einer anonymen Riesenmetropole“ hat bereits sehr viel mehr Persönlichkeit als der zuerst genannte namenlose junge Mann, oder?

3. Aussehen

Fantasiebegabte Autor:innen beurteilen Menschen normalerweise nach den inneren Werten. Das bringt die Gefahr mit sich, dass sie das Aussehen ihrer Figuren als irrelevant abtun.

Jannis Baumgärtner erweckt durch seinen Namen bereits Assoziationen – aber wie genau sollen Deine Leser:innen ihn sich vorstellen? Hat er einen blonden Bürstenschnitt oder rote Haare, die ihm als Metal-Fan offen über den Rücken fallen? Und welche Farbe haben seine Augen?

Auch die Frage nach seinem Kleidungsstil, seiner Figur und seiner Art, sich zu bewegen, ist an dieser Stelle interessant. Gib ihm etwas Besonderes mit, wenn Du willst, dass er zu einer unvergesslichen Romanfigur wird.

Ebenfalls spannend ist die Frage, ob die Figur mit ihrem Aussehen zufrieden ist. Ein Supermodel mag objektiv mehr Schönheitskriterien erfüllen als eine Bibliothekarin – aber ob sie deshalb zufriedener mit ihrem Körper ist?

4. Beruf, Ehrgeiz

Beruf oder Berufung – eine Frage, der sich kreative Menschen immer wieder stellen müssen.

Gilt das auch für Deine Figuren?

Ganz egal, wovon Deine Story handelt (Liebe, Krimi, Fantasy …) – Gib Deiner Figur einen Beruf und etwas, was sie in diesem Beruf erreichen will. Jannis Baumgärter und Jasmin-Cherrycoke Müller wirken völlig anders, wenn sie …

  • im Kindergarten arbeiten und endlich eine Familie gründen wollen
  • in der Mordkommission auf eine Beförderung hinarbeiten
  • als Kapitän im Mittelmeer Flüchtlinge retten
  • als Spezialisten für kontrollierte Sprengungen eine eigene Firma gründen

Oder?

5. Ziele und Träume

Figuren brauchen konkrete Ziele und große Träume, wenn sie Neugier und Sympathie wecken sollen.

Jannis Baumgärtner lebt in den Tag hinein und lässt sich treiben. Er geht achselzuckend weiter, wenn es anderen Menschen schlecht geht. Sein größter Traum ist ein neuer Fernseher.

Jasmin-Cherrycoke Müller dagegen will gleich in seiner ersten Szene einen Mann erwischen, der einem Kind das Fahrrad gestohlen hat. Sie träumt davon, in ihrer Stadt ein Benefizfestival für das örtliche Kinderhospiz zu organisieren.

Über welche der beiden Figuren willst Du spontan mehr erfahren?

6. Ängste

Finde heraus, wovor sich Deine Figur fürchtet! Es macht sie menschlicher und sympathischer.

Zum Menschsein gehört es, manchmal Angst zu verspüren. Das kann eine irrationale Phobie sein wie die vor Spinnen, aber auch die ganz rationale Angst vor einer Kündigung, wenn die Firmenspitze Einsparungen ankündigt.

Bringst Du Deine Figur in der Story an einen Punkt, an der sie sich ihren Ängsten stellen muss?

7. Soziales Netz

Egal, ob Deine Figur introvertiert oder extrovertiert ist – mach Dir Gedanken, welche Menschen in ihrem Leben existieren und für sie wichtig sind.

Jasmin-Cherrycoke Müller ist eine introvertierte Frau, deren Familie in einer anderen Stadt lebt und in der Story nie erwähnt wird. Sie verbringt ihre Abende vor dem Fernseher.

Anna Konstantinides hat einen großen Bekanntenkreis und eine beste Freundin, mit der sie jedes Problem bespricht. Ihr Exfreund stalkt sie. Der Freund ihrer besten Freundin liegt im Krankenhaus, weil er den Ex mit seinem Verhalten konfrontiert hat und dann zusammengeschlagen wurde.

Über welche der beiden Frauen willst Du spontan mehr erfahren? Vermutlich über die, deren soziales Netz die interessanteren Konflikte und Gespräche verspricht. Falls Du die introvertierte Frau gewählt hast, wird es vermutlich gerade das Fehlen von sozialen Kontakten sein, was Deine Neugierde weckt.

Arbeit mit den sieben Punkten

Du kannst diese Liste chronologisch für die wichtigen Figuren Deiner Story abarbeiten (analytischer Weg). Alternat kannst Du sie als Grundlage für ein Mindmap oder einen Flowtext nehmen (intuitiver Weg), der Dir Türen in ganz neue kreative Richtungen öffnet. Niemand verteilt Punkte dafür, dass jede Frage richtig beantwortet wurde. Manches entwickelt sich beim Schreiben in ganz andere Richtungen, als es zunächst geplant wurde. Das ist normal und Teil des kreativen Prozesses.

Nutze die Liste, um mehr über die Figur herauszufinden. Aber mache auf keinen Fall den Fehler, sämtliche Informationen dann ins erste Kapitel des Romans zu verfrachten! Arbeite sie lieber Stück für Stück in die Handlung ein, immer dann, wenn es gerade passt. Auf diese Weise können Deine Leser immer neue Dinge über Deine Figur erfahren und sie tiefer ins Herz schließen.

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Ich drücke Dir die Daumen für Deine Story! Wenn Du gut vorankommst, berichte gern davon und lass mich an Deiner Freude teilhaben.

Vielleicht hast Du noch andere Tipps für die Storytellers zum Schreiben guter Romancharaktere? Berichte uns in den Kommentaren davon!

Die Verfasserin:

Hanna Aden (*1983) ist Schriftstellerin und examinierte Lehrerin. Seit 2015 unterstützt sie als Seminarleiterin und Coach angehende und professionelle Autor:innen auf ihrem Weg.

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Danke, dass Du meinen Text gelesen hast! Ich mag neugierige und wissbegierige Menschen. Besonders, wenn sie sich für das Erzählen von Geschichten interessieren.

In meinem Newsletter verschicke ich (halbwegs) regelmäßig Tipps über das Schreiben, Inspirationals und informiere Dich über neue Blogbeiträge und Videos. Außerdem schenke ich Dir als Dankeschön für Dein Interesse das E-Book „Romane schreiben für Anfänger:innen“ im PDF-Format. Dort erhältst Du 18 praktische und direkt umsetzbare Lektionen, die Dir die Basics des Schreibhandwerks informativ und fesselnd vermitteln.

Mein Best Buddy würde sagen: Gönn Dir!

Ich freue mich darauf, Dich vielleicht schon bald in einem meiner Kurse kennenzulernen.

Liebe Grüße
Hanna